Der Bitcoin-Millionär und das verschmähte Feuerwerk
Der Krypto-Pionier Niklas Nikolajsen will unbedingt ein guter Schweizer sein und tritt dabei ins Fettnäpfchen. Ein Besuch.
Niklas Nikolajsen ist noch ganz aus dem Häuschen. «Sehen Sie, was heute Morgen in meinem Briefkasten lag», sagt er bereits während des Händeschüttelns. Stolz präsentiert er seinen nigelnagelneuen Schweizer Pass. «Ich habe fast geweint. Jetzt bin ich also Bürger dieses phantastischen Landes.» Seine Einbürgerung in Zug ist einer der Gründe, warum der gebürtige Däne der Stadt zum Nationalfeiertag ein Feuerwerk spendiert.
Heute bereut er diese Idee. «Eigentlich wollte ich nur die Leute glücklich machen. Hätte ich gewusst, dass ich deswegen als Umweltschwein bezeichnet werde, hätte ich es sein lassen», sagt Nikolajsen, als er auf die in den Medien tobende Debatte angesprochen wird. Sogar einen Verzicht habe er sich überlegt. Doch nun gilt die Devise: Augen zu und durch – Protestaktionen von lokalen Aktivisten am 1. August inklusive.
Doch der Bitcoin-Pionier, dessen Vermögen die «Bilanz» auf 300 bis 350 Millionen Franken schätzt, hätte wissen müssen: Wer in der Schweiz ein Bild von sich und 35 Tonnen Feuerwerksmaterial auf Instagram postet, der wird angefeindet. «Vergessen wir diese Polemik», meint Nikolajsen und präsentiert dem Journalisten lieber den zweiten Grund, warum er es am 1. August so richtig krachen lassen wird. Es ist der St. Karlshof, ein Herrensitz an bester Lage mit herrlichem Blick über den Zugersee.
Schweizerpsalm in Goldbuchstaben
In dem denkmalgeschützten Ensemble, das einige als Schloss bezeichnen, sind zahlreiche Handwerker zugange. Sie verleihen den 90 Zimmern den letzten Schliff. «Ich bin froh, dass dieses für die Stadt Zug, ja für die ganze Schweiz wichtige Gebäude erfolgreich renoviert wurde», betont Nikolajsen. Als er den Landsitz im Jahr 2018 für 18 Millionen Franken erwarb, war er eine Ruine. Anschliessend steckte er weitere rund 50 Millionen in die Renovation des Salesianums, wie der St. Karlshof auch genannt wird. Noch dieses Jahr will der 48-Jährige mit seiner Frau Anna Christina und den Zwillingen Niels-Anthony und Niels-Axel einziehen.
Alles soll hier so schweizerisch sein wie möglich. So lenkt Nikolajsen die Aufmerksamkeit auf einen Brunnen vor dem Haupteingang. Dieser wird von einer noch verhüllten Statue gekrönt. «Bei der Figur handelt es sich um Helvetia. Wir werden sie am 1. August feierlich enthüllen», verrät der Hausherr. Der Geschichtsfan hat keine Kosten und Mühen gescheut, um mithilfe von Historikern und Kunstschaffenden die perfekte Darstellung der allegorischen Frauenfigur zu schaffen. «Nach den negativen Reaktionen auf das Feuerwerk richte ich mich schon einmal darauf ein, weitere Häme einzustecken», sagt er mit einem Lächeln.
Am Fuss des Brunnens sind in Goldbuchstaben die vier Strophen des Schweizerpsalms eingelassen. Natürlich hat der Hobbyhistoriker auch dafür eine Erklärung. Er erfuhr, dass Pater Alberich Zwyssig den von ihm komponierten Schweizerpsalm zum ersten Mal in der Kapelle aufführte, die zum Landsitz gehört. An diese Begebenheit im November 1841 soll die Inschrift erinnern.* Der Brunnen soll ein Geschenk an die Schweiz sein.
Für Nikolajsen ist es ein Bedürfnis, die Karl-Borromäus-Kapelle für die Öffentlichkeit zugänglich zu machen. «Wir wollen uns hier nicht abschotten», erklärt der Multimillionär. So kann die lokale Bevölkerung einen Teil der Räumlichkeiten des Herrensitzes für Familienanlässe mieten. «Andere Investoren haben wegen dieser Bedingung die Hände von der Immobilie gelassen. Ich hingegen will der Bevölkerung der Stadt Zug etwas zurückgeben, die mich vor dreizehn Jahren so toll aufgenommen hat», sagt Nikolajsen. Damals zog der studierte Computerwissenschafter aus Dänemark in die Schweiz.
Seine ersten 1000 Bitcoins kaufte er 2011 zum Preis von je 77 Cent. 2013 gründete er zusammen mit Partnern die Bitcoin Suisse AG und legte damit einen der Grundsteine zum Crypto Valley Zug. Per Ende 2021 zog sich Nikolajsen aus der Firma zurück, die inzwischen 275 Mitarbeitende beschäftigt. Als Bitcoin-Pionier ausser Dienst kann man sich etwas Privatsphäre schon leisten. So sind die oberen Stockwerke des St. Karlshofs durch Wände und Panzerglastüren von den Teilen des Gebäudes getrennt, die gemietet werden können.
Wie eine Luxuskabine auf der «Titanic»
In den Urzustand von 1750, als der erste Mittelbau gebaut wurde, kann Niklas Nikolajsen den Herrensitz nicht zurückversetzen. Nach Absprache mit der Denkmalpflege sollen sich die Räumlichkeiten präsentieren wie im Jahr 1909 als der zweite Mittelbau auf den ersten gebaut wurde. «So hätte es auch auf der ‹Titanic› aussehen können», erklärt der Hausherr. Allerdings hätte es sich um eine Luxuskabine gehandelt. Wenn es eine schweizerische Tugend gibt, der im St. Karlshof nicht nachgelebt wird, ist es Bescheidenheit. Goldene Wasserhähne, edle Holzböden und viel Stuckaturen ziehen sich durch alle Räume.
In der Gastroküche im Untergeschoss sind gerade Arbeiter einer englischen Firma am Werk. Sie sind spezialisiert auf den Bau von Küchen mit topmodernem Equipment, die aussehen, als wären sie vor über hundert Jahren entstanden. Fast alles ist bereits installiert. Zu diskutieren gibt nur noch, wo die stilisierten Initialen N. N. für Niklas Nikolajsen und A. C. für Anne Christina angebracht werden sollen.
Der Mann mit dem gezwirbelten Schnauz will sich verewigen. Er gehört zu den Millionären, die ihren Reichtum gerne präsentieren. Er pflegte seine Unkonventionalität bereits vor dem unerwünschten Feuerwerk. So kreuzte er vor sechs Jahren mit ausreichend Bargeld in der Tasche beim Autohändler seines Vertrauens auf und leistete sich kurzerhand zwei Bentleys. In noch exklusivere Fahrzeuge investierte er im Jahr 2021, als er zwei Panzer aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs kaufte. Einen Fahrausweis hat er nicht, jedoch das teuerste Nummernschild der Schweiz. Vor fünf Jahren ersteigerte er für 233 000 Franken die Autonummer «ZG 10».
Über den Begriff «exzentrisch», mit dem er häufig charakterisiert wird, kann er lachen. «Exzentrisch klingt doch cool. Ich war schon in meiner Jugend so und werde es immer bleiben.» Viel schlimmer wäre es, wenn er als jemand in Erinnerung bliebe, der keine Spuren hinterlassen habe. «Ich will nicht mit 90 im Bett sterben und feststellen, dass ich nicht gelebt habe», sagt Nikolajsen, der sich trotz neuer Staatsbürgerschaft und bestandenem Deutschtest am liebsten auf Englisch unterhält.
Er gibt zu, dass der Bentley-Kauf aus Übermut über die extremen Kurssteigerungen des Bitcoins erfolgt sei. «Ich brauche die Fahrzeuge nur selten. Sie haben nur 1500 beziehungsweise 2000 Kilometer auf dem Tacho.» Das wahre Privileg sei es ohnehin, nicht reisen zu müssen und sich möglichst viel in der Innerschweiz aufhalten zu dürfen.
Für die übrigen Shoppingtouren im High-End-Bereich hat er eine rationale Erklärung. Den ersten Panzer habe er von einem Museum gekauft, das während der Corona-Pandemie in finanzielle Schwierigkeiten geraten sei. Der zweite Panzer sei ihm als perfekte Ergänzung von einem Sammler angetragen worden. Ausserdem würden die beiden Militärfahrzeuge nicht an Wert verlieren.
Das Nummernschild «ZG 10» habe er gekauft, um zu signalisieren: «Here am I.» «Doch es ist auch eine Wertanlage», betont Nikolajsen. «Ich habe Angebote von Interessenten erhalten, die das Doppelte bezahlen würden.» Mit dem Kauf der 35 Tonnen Feuerwerk habe er gewissermassen eine gute Tat begangen. Es handelt sich nämlich um explosives Material von zwei Grossfeuerwerken, die wegen Corona nicht abgebrannt werden konnten. «Die Herstellerfirma drohte in finanzielle Schwierigkeiten zu geraten», erzählt Nikolajsen.
Gezündet wird das Feuerwerk auf drei Flössen auf dem Zugersee, unmittelbar vor dem St. Karlshof. Geniessen wird er das Spektakel mit Familie und Freunden vom Balkon aus, den wir am Ende der Besichtigungstour erreichen. «Es ist ein unglaubliches Privileg, dass ich künftig hier lebe und damit jeden Tag diesen Blick auf den Zugersee habe», sagt er. Der Sonnenuntergang präsentiere sich jeden Tag anders, und die Farbe des Sees ändere sich je nach Wetter und Tageszeit von Dunkelgrau über Blau bis zu Türkisgrün.
Nicht als Steuerflüchtling gekommen
Der Pass, den er heute erhalten habe, sei die Krönung, um den 1. August so richtig befreit begehen zu können. «Ich bin aus 100 Prozent Überzeugung Schweizer geworden, und Konvertiten sind ja oft die neuen Heiligen», sagt Nikolajsen. Sichtlich bewegt, zählt er alle Schritte der Einbürgerung auf, die er von der Antragstellung über den Test über das staatspolitische Wissen bis zum Interview mit der Bürgergemeinde Zug zu durchlaufen hatte. «Bei mir war man besonders kritisch, da auf keinen Fall der Eindruck entstehen durfte, dass ich mir die Staatsbürgerschaft erkauft habe», betont er.
Es gebe für ihn keinen Grund, etwas an dem Land zu ändern, das es ihm ermöglicht habe, seine kühnsten Träume in die Tat umzusetzen. «Ich bin nicht als Steuerflüchtling hierhergekommen, sondern habe das Land bewusst ausgewählt.» Hier habe er Leute gefunden, die seine Leidenschaft für Kryptowährungen unterstützt und ihm dafür Geld geliehen hätten. Er liebe die Geschichte des Landes, in dem es Bergbauern gewagt hätten, die Habsburger niederzutramplen.
Ganz alle Wünsche hat ihm seine neue Heimat allerdings nicht erfüllt. Im Pass darf er sich nicht wie beantragt «Niklas Nikolajsen von Karlshof» nennen.
* Ursprünglich hiess es, dass Alberich Zwyssig den Text zum Schweizerpsalm im St. Karlshof geschrieben habe.
Author: Christopher Smith
Last Updated: 1703066882
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