Nach Berechnungen der Vereinten Nationen leben inzwischen acht Milliarden Menschen auf der Erde. Insbesondere in Afrika wächst die Bevölkerung weiter stark. Die Entwicklung könnte zu Problemen führen – bietet aber auch viele Chancen.
Weltweit wächst die Bevölkerung nur noch mit weniger als einem Prozent. Das ist das geringste Wachstum seit Beginn der Aufzeichnungen. Die Bevölkerungsentwicklung ist dabei global keineswegs homogen. Während die Bevölkerung einiger Länder stagniert oder sogar schrumpft, gibt es in anderen weiter hohe Wachstumszahlen.
Wie sich die Weltbevölkerung weiter entwickeln wird, hängt vor allem von der Entwicklung in Ländern mit einem hohen Bevölkerungswachstum ab. Insbesondere in Subsahara Afrika und in einigen asiatischen Ländern gibt es weiter hohe Wachstumsraten. Der Höhepunkt der Weltbevölkerung wird mit rund 10,4 Milliarden Menschen in den 2080er-Jahren prognostiziert.
Diese Entwicklung wird häufig problematisiert – doch mehr Menschen können auch zu mehr Chancen führen. Ob die demografische Entwicklung zum Wohlstand beiträgt oder den Menschen schadet, hängt von vielen Faktoren ab.
Bevölkerungswachstum ist für sich genommen weder gut noch schlecht
"Wir haben heute acht Milliarden Menschen auf der Welt und doch reicht die Lebensmittelproduktion unseres Planeten, um all diese Menschen zu ernähren", sagt der Soziologe Hussein Tukur von der Universität von Nasarawa (Nigeria). Bevölkerungswachstum sei für sich genommen kein Problem, betont er. Es komme darauf an, wie Wirtschaft und Gesellschaft strukturiert sei.
"Es ist – man kann es gar nicht oft genug sagen – genug Platz auf dieser Welt für acht Milliarden Menschen. Es wird auch irgendwann genug für zehn Milliarden sein", sagte Nicole Langenbach von der Deutschen Stiftung Weltbevölkerung am 15. November 2022 in Deutschlandfunk Kultur. Die Besorgnis wegen des Bevölkerungswachstums gehe eigentlich auf den Ressourcenverbrauch zurück. Es sei zwar richtig, dass die Weltbevölkerung so viele Ressourcen verbrauche, dass man eigentlich bereits 1,7 Erden brauche. Fast die Hälfte der globalen CO2-Emissionen werden dabei allerdings von den zehn Prozent der Weltbevölkerung mit dem höchsten Einkommen verursacht, während der Beitrag der ärmsten Hälfte zu vernachlässigen ist.
Der Ressourcenverbrauch pro Kopf sei also länderspezifisch sehr unterschiedlich, sagte Langenbach. Würden alle Menschen so leben wie US-Bürger, dann würden die Ressourcen von fünf Erden benötigt – der Ressourcenverbrauch der Inderinnen und Inder sei hingegen mit etwa einer dreiviertel Erde zu decken. "Nicht die Anzahl der Personen ist das Problem, sondern ihr Verhalten."
Acht Milliarden Menschen als acht Milliarden Chancen
Eine große Bevölkerungszahl könne eine wichtige Ressource sein, betont der Soziologe Hussein Tukur. Doch damit diese Ressource sich entfalten könne, brauche es die richtigen Rahmenbedingungen:
„Angenommen, sie haben eine konsumwillige Bevölkerung, die über eine gute Ausbildung spezialisierte Fähigkeiten erlangt hat. Wenn Sie dann noch über Industrie verfügen, entsteht ein Kreislauf. Sie produzieren, die Bevölkerung konsumiert die Produkte, dadurch ist die Beschäftigung gesichert – Kreativität und Innovation entstehen. In diesem Fall ist eine große Bevölkerungszahl ein Vorteil.“
Damit Menschen ihre Potenziale freisetzen können, brauchen sie Zugang zu Gesundheitsleistungen, Bildung, Beschäftigung und sozialer Sicherung, betont auch Bärbel Kofler, parlamentarische Staatssekretärin im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Das gelte insbesondere für Frauen und Mädchen: "Starke und selbstbestimmte Frauen sind der Schlüssel für eine nachhaltige Entwicklung ganzer Gesellschaften."
Warum kann Bevölkerungswachstum zu Problemen führen?
Wenn in einem Land nicht die richtigen Strukturen vorliegen, dann kann eine wachsende Bevölkerung die Probleme erschweren. Der Soziologe Hussein Tukur verweist dazu beispielhaft auf Nigeria. Nigeria sei eine Importnation, die viele Waren einführen müsse. Die Bevölkerung sei schlecht ausgebildet. In dieser Situation sei das Bevölkerungswachstum eine Last. "Verschiedene Gruppen streiten um die knappen Ressourcen und Machtpositionen und so entstehen Spannungen in der Gesellschaft", sagt der Soziologe.
Starkes Bevölkerungswachstum gehe zudem oft auf fehlende sexuelle Aufklärung und den Mangel an Zugang zu Verhütung zurück, sagte Nicole Langenbach am 15.11.2022 in Deutschlandfunkkultur. Junge Frauen würden oft ungewollt früh und mehrfach Mutter – und verlören dadurch den Zugang zu Bildung. Hier finde Bevölkerungswachstum also zulasten von Bildung und damit auch zulasten von Wohlstand statt.
Patriachale und traditionelle Rollenbilder drängten Frauen zusätzlich in diese Rolle, sagt Jan Kreutzberg, Geschäftsführer der Deutschen Stiftung Weltbevölkerung. Ohne Bildung sei für die Frauen dann die Armutsspirale programmiert. "Den Frauen kommt bei der Entwicklung Afrikas eine zentrale Rolle zu“, unterstreicht Kreutzberg. „Sie müssen in die Lage versetzt werden, ihr Leben und ihre Familienplanung selbst zu bestimmen und die Gesellschaft mitzugestalten. Denn nur, wenn hier ein Umdenken stattfindet, gibt es überhaupt die Chance auf eine demografische Dividende."
Wodurch nimmt das Bevölkerungswachstum ab?
Das Bevölkerungswachstum verlangsamt sich seit Jahrzehnten, seit 1950 hat es sich halbiert. In den Industriestaaten stagnieren die Bevölkerungszahlen bereits oder gehen sogar zurück.
Wachstum sehe man vor allem in Ländern mit geringem und mittleren Einkommen, vor allem in Afrika und auch in Asien, sagte Colette Rose vom Berlin Institut für Bevölkerung und Entwicklung am 15.11.2022 im Deutschlandfunk. In Ländern mit hohen Wachstumszahlen sei die Kindersterblichkeit noch sehr hoch und die Lebenserwartung relativ niedrig.
Man könne die Entwicklung des Bevölkerungswachstums vereinfacht so zusammenfassen: "Wo weniger Menschen sterben, werden weniger Menschen geboren." Das Bevölkerungswachstum lasse immer dann nach, wenn die Lebensbedingungen sich verbesserten. Wenn man das Wachstum eingrenzen wolle, müsse man daher in bessere Gesundheitsversorgung, Bildung, soziale Sicherungssysteme, Geschlechtergerechtigkeit und die Schaffung von Arbeitsplätzen investieren.
Quellen: Sebastian Felser, Tilo Spanhel, Berlin-Instituts für Bevölkerung und Entwicklung, Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung (BiB), Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ), Deutsche Stiftung Weltbevölkerung, pto
Author: Brian Harris
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